Westfalenpost am 20.09.2021: Im Sommer zerstörte die Flut das Grundstück der Familie Wereschagin in Sundern. Jetzt erhält sie Unterstützung.
Hört er Starkregen, bekommt er Angst - Arnsberg-Sundern
Hört er Starkregen, bekommt er Angst
Das Unheil bahnte sich bereits in den frühen Morgenstunden in der Nacht zum 14. Juli in Sundern an: „Da war der Bach schon so laut“, erzählt Elisabeth Wereschagin. Der Waldbach, der sonst eher idyllisch am Haus der Familie an der Recklinghauser Straße in Sundern vorbeifließt, schwoll da schon an zu einem reißenden Strom. Zwölf Stunden später standen das Haus, der Hof, Garten und die Garage unter Wasser. Die Wereschagins hatten keine Chance ihr Haus zu schützen. Eine Versicherung hatten sie nicht. „Ein echter Notfall“, sagt Uli Scheele. Er ist Präsident des Lions Clubs Arnsberg-Sundern und überbrachte nun insgesamt 4020 Euro Soforthilfe an die Familie. Ob das ausreicht? Wohl kaum. Der Schaden ist enorm. „Darüber will ich gar nicht nachdenken“, sagt Sergej Wereschagin, „dann bekomme ich Kopfschmerzen“. Er hat bereits begonnen, die Schäden zu beseitigen - so gut es geht. Am Tag selbst konnte er nicht helfen. Er war nicht zu Hause, weil er als Dachdecker beruflich auswärts weit entfernt auf einer Baustelle arbeitete. Den Kampf gegen den beim Starkregen in schwindelerregend schnell anschwellenden Waldbach führten seine Eltern. Sie versuchten das Grundstück mit Sandsäcken zu schützen. „Es dauerte nicht lange, da waren aber auch diese überspült“, erzählt Mutter Elisabeth.
Zweiter Vorfall in wenigen Wochen
Die Familie konnte nur noch zu sehen, wie der Keller ihres Hauses über Fenster und Eingangstreppe voll lief. Der dort lebenden Untermieter konnte die Räume schnell genug verlassen. Hätte ihn das Hochwasser im Schlaf erwischt, hätte es fatal enden können. Das Wasser stand am Ende fast 1,30 Meter hoch. Elektrik und Gasheizung wurden stark beschädigt. Es dauerte drei Wochen, bis das wieder hergestellt werden konnte. Der Untermieter musste ausziehen. Bis die Räume wieder bewohnbar sind, wird es dauern. Vieles kann Handwerker Sergej in Eigenleistung machen - Geld kostet das dennoch, gerade jetzt, wo die Materialpreise am Bau fast so schnell steigen wie die Wasserpegel am jenen 14. Juli. Das Haus der Wereschagins liegt eigentlich an einem traumhaften Platz. Am Gartenrand fließt der Waldbach, die Hausgänse der Familie fühlen sich dort wohl - ein idyllisches Plätzchen mit schönem Garten. Der Bach liegt normal knapp einen Meter unter dem Grundstücksniveau, das gegenüberliegende Ufer deutlich höher. Der kleine Hof liegt noch unterhalb der Recklinghauser Straße in einer Senke. Ohnehin kann hier schnell Wasser aus dem Bach auf der Grundstück überfließen. Das Problem verschärfte sich am 14. Juli aber, weil der Waldbach so hoch stand, dass er sich am rund 100 Meter weiter bachabwärts stehenden Brückbauwerk zurückstaute. Spätestens da war das Haus der Wereschagins nicht mehr vor der Flut zu retten. Schon wieder, denn bereits Anfang Juni war der Keller vollgelaufen, als ein lokales Starkregenereignis über Recklinghausen und Endorf hereingebrochen war. „Auch da stand das Wasser schon gut 45 Zentimeter hoch“, erzählt Sergej Wereschagin. Damals konnte alles schnell wieder trockengelegt werden. Die Möbel des Mieters aber waren unbrauchbar geworden, weshalb die Hausbesitzer neue Möbel kauften. Diese wurden ein Opfer der Flut.
Ein Berg aus Sperrmüll
So wie vieles andere auch. Ihren Garten hat Mutter Elisabeth wieder schön hergerichtet. Die Sperrmüllberge auf dem Hof sind abgefahren. Der Pool im Garten war nicht mehr nutzbar - das Hochwasser hat die Pumpe zerstört. Das Auto der Familie in der Garage stand ebenfalls halbhoch im Wasser. „Der Wagen war dreimal in der Werkstatt“, erzählt Sergej, „die Elektrik spielt immer noch etwas verrückt, aber er fährt wenigstens wieder“. Die Familie war vor gut sechs Jahren nach Sundern gezogen und hatte das Haus gekauft. In der Immobilie steckt viel Eigenleistung des 35-jährigen Dachdeckers, der im Obergeschoss zusammen mit seinen Eltern und seinem zehnjährigen Sohn Fjodor lebt. Seinen Mut hat der Einwanderer nicht verloren, sein Vertrauen in den angrenzenden Waldbach aber schon. „Wenn ich jetzt etwas von Starkregen höre, kriege ich es sofort mit der Angst zu tun“, sagt er. So ein Hochwasser vergisst man nicht.
Sergej, Elisabeth und Fjodor Wereschagin mit Uli Scheele, Egon Kämmerer und Detlef Lins vom Lions Club Arnsberg Sundern im Eingangstreppenabgang zu der überfluteten Wohnung. Foto Martin Haselhorst
Spontane Hilfsaktion
Der Lions Club Arnsberg-Sundern entschied sich schnell entschlossen zu einer eigenen Hilfsaktion zugunsten von Opfer der Starkregenflut im Juli.
Spontan wurden im Club rund 10.000 Euro gesammelt . Weitere Mittel wurden über den Lions-Hochwasserfonds abgerufen, so dass der LC Arnsberg-Sundern insgesamt 28.000 Euro ausschütten konnte. Es handele sich um eine Sonderaktion - alle anderen Unterstützungen bleiben davon unbeeinflusst.
23.000 Euro davon wurden kürzlich ins noch deutlich stärken von der Starkregenflut betroffene Ahrtal gespendet.
Insgesamt 5020 Euro wurden in Sundern ausgeschüttet: An die Familie Wereschagin 4020 Euro und 1000 Euro an einen ähnlich betroffenen Nachbarn.
von Martin Haselhorst